Nach zwei intensiven Jahren der Selbstständigkeit habe ich erste wichtige Erkenntnisse gesammelt - nicht nur als Webdesigner, sondern auch als Vater.
Im ersten Jahr war die Projektauslastung so überwältigend, dass ich annahm, die Nachfrage nach neuen Aufträgen würde automatisch steigen. Doch schon im zweiten Jahr bemerkte ich einen Rückgang und spürte den Mangel an Projektanfragen. Anfangs dachte ich, es sei die Folge der Ukraine-Krise und der Corona-Pandemie. Doch mir wurde schnell klar, dass mir eine Strategie zur Gewinnung neuer Aufträge fehlte. Das Problem war jedoch, dass ich zu der Zeit keine Ahnung von Akquise und Marketing hatte und die Strategien und Versprechungen der lauten "Marketing" Experten mir nicht zusagten.
Eigentlich möchte ich nur interessante Web oder App Projekte umsetzen, Neues lernen und mich meinen Nebenprojekten widmen, ohne mich zu sehr auf die Selbstdarstellung zu konzentrieren. Als zurückhaltende Person fällt es mir schwer mich öffentlich zu repräsentieren oder im Austausch mit Leuten zu kommen. Daher muss ich einen Weg finden, mich aktiver im Netzwerk einzubringen und dabei meinem Charakter treu zu bleiben.
Also wie mache ich das? Durch meine Mitgliedschaft im sehen und ernten e.V., einer Kreativwerkstatt für Studierende, konnte ich erstmals neben meinem Informatik Studium Einblicke in Design und Strategie, insbesondere im Web, bekommen. Dabei entstand auch erstmals der Gedanke zur Selbstständigkeit im Webdesign. Dadurch konnte gleich zu Beginn Webdesign und Umsetzung mit einem begleitenden Strategie-Workshop anbieten. Warum also nicht die gleiche Strategie bei mir anwenden, die ich auch meinen Kunden anbiete? Das sollte doch sicherlich schnell und einfach sein. Aber allein die Definition des eigenen Charakters und eine klare Definition der Zielgruppe sind nicht so einfach wie angenommen, insbesondere wenn es gefühlt tausend Möglichkeiten im Bereich des Webdesigns gibt. Am Ende meiner einwöchigen internen Auseinandersetzung konnte ich nachvollziehen, wie aufwändig und intensiv dieser Prozess ist und oft bei Kunden ein Gefühl der Überwältigung mit diesen Thema aufkommt. Aber ich war auch gleichzeitig überrascht, wie leicht mir danach alle weiteren Schritte für mein erstes Rebranding fielen. Durch die neu definierte Zielgruppe und die Findung meines Charakters fand ich schnell eine Designsprache, die mich authentisch darstellt und repräsentiert und gleichzeitig wieder zu einer stärkeren Verbundenheit meiner nordischen Heimat verhalf. Auch mein Angebot konnte ich durch die neu ausgerichtete Expertise in drei übersichtliche Pakete zusammenfassen und auf meiner neuen Webseite strukturiert darstellen.
Das Rebranding und die neue Webseite sind die ersten Schritte zur neuen Ausrichtung. Aber das allein reicht nicht. Ich brauche zusätzlich eine Content- oder Marketingstrategie, die einerseits Aufmerksamkeit generiert aber gleichzeitig im optimalen Fall die Personen anspricht, die gerne mit mir zusammenarbeiten würden. Als zurückhaltende Person habe ich mich lange davor gesträubt und es aufgeschoben aktiv wahrgenommen zu werden, aber jetzt gibt es keine Ausreden mehr. Ich habe diesen Weg gewählt, weil ich mich in jeder Hinsicht weiterentwickeln möchte, einschließlich der externen Wahrnehmung durch Interaktion bzw. Kommunikation.
Also muss ich mir überlegen, was ich wie und mit welchen Mitteln teilen möchte. Denn ein Problem merke ich oft in meiner Social-Media-Blase. Was kann ich schon teilen, was nicht andere schon gefühlt tausendmal besser auf den Punkt gebracht haben und deutlich erfahrener in ihrer Expertise sind als ich? Aber darum geht es nicht. Jeder sammelt unterschiedliche Erfahrungen und hat andere Probleme und Herausforderungen zu bewältigen.
Als frisch gebackener Vater kurz vor meiner Bachelor Abschluss stand meine Welt auf dem Kopf. Ich musste mich erst einmal mit den neuen Gegebenheiten zurechtfinden, und der Schritt in die Selbstständigkeit hob alles auf ein neues Level des Selbstmanagements. Die Zeit war so aufregend, dass ich zwischen Elternsein und Arbeit vergaß, auch mal Pause zu machen. Der Antrieb, unbedingt in den ersten Jahren erfolgreich zu starten, trieb mich in eine ungesunde Richtung, und ich musste erneut lernen, meine verfügbare Zeit neu einzuteilen. Im Nachhinein bemerke ich, wie oft ich mich in dieser kurzen Zeit gewandelt oder neu positioniert habe, ohne es wirklich wahrgenommen zu haben. Daher verstehe ich die fehlenden Projektanfragen der ersten Jahre nicht als Misserfolg, sondern als erste wichtige Erkenntnis.
Jetzt verstehe ich: Wandel passiert bewusst und manchmal unbewusst. Ich kann meine Persönlichkeit weiterentwickeln und gleichzeitig meiner ruhigen Natur treu bleiben. Das bedeutet auch, etwas von mir zu teilen, auch wenn es mir nicht leichtfällt.
Dieser Beitrag ist der Anfang meiner neuen Ausrichtung und ich hoffe, du konntest etwas mitnehmen. In Zukunft möchte ich über weitere Themen wie diese schreiben und teilen.